Quelle: Blätter 1962 Heft 01 (Januar)
zurück Dokumente zum Zeitgeschehen AUS DER REDE VON KARL GRAF VON WESTPHALEN AUF ============================================= DEM FRIEDENSKONGRESS IN ESSEN AM 17.XII.61 ========================================== Am 17. Dezember fand in Essen in Anwesenheit von 5700 Teilnehmern der "Friedenskongreß 1961" statt, auf dem Karl Graf von Westpha- len u.a. erklärte: ...Wir wären hier nicht versammelt, wenn wir nicht um den Ernst der Stunde wüßten. Wir wären hier nicht versammelt, wenn wir nicht ein drittes Mal in diesem Jahrhundert Kräfte in unserem Lande am Werk wüßten, die nicht bereit sind, Lehren aus der Ge- schichte zu ziehen und die nicht willens sind, den einzig mögli- chen Weg einer deutschen Friedenspolitik einzuschlagen, weil sie wiederum aus tiefem Haß heraus die weltpolitischen Realitäten lieber ignorieren, als zur Kenntnis nehmen. Wir wären hier nicht versammelt, wenn wir nicht die fieberhafte Eile verspürten, mit der Zug um Zug das zivile und private Leben in ein militärisches verwandelt werden soll. Wir wären hier nicht versammelt, wenn wir nicht mit Grimm, mit Bitterkeit, ja mit Empörung verfolgen müß- ten, wie mit jeder Stunde die demokratischen und persönlichen Freiheiten durch Notstands- und Dienstleistungsgesetze, durch Verlängerung der Wehrpflicht und zahlreiche andere Maßnahmen der militärischen und wirtschaftlichen Kriegsvorbereitung immer weiter eingeengt werden. Die Älteren unter uns wissen zu gut, daß Maßnahmen dieser Art schon zweimal einem Krieg voraufgegangen sind... Wenn die Bundesregierung nicht bereit ist, von ihren beiden Hauptpositionen, der Aufrüstung und der Nicht-Anerkennung von Re- alitäten, wenigstens eine aufzugeben, dann bleibt ihr nur der Weg der militärischen Auseinandersetzung. Da sie erklärtermaßen ent- schlossen ist, diese beiden Dogmen aufrechtzuerhalten, hält sie den militärischen Weg offenbar für vertretbarer, als die Einlei- tung einer Verhandlungs- und Abrüstungspolitik. Mit aller Deut- lichkeit muß daher gesagt werden: für die Bundesregierung ist der Gedanke an ein neutrales Deutschland offenbar schreckenerregender als der Gedanke an ein atomverseuchtes Deutschland! ... Dem abenteuerlichen und lebensgefährlichen außenpolitischen Pro- gramm der neuen Bundesregierung entspricht das innenpolitische. Es ist ein Programm der totalen Mobilisierung von Mensch und Wirtschaft für den "Ernstfall", für die Ausrichtung auf das "letzte Risiko". Die Regierungsparteien und die SPD sind von nun an entschlossen, in die private Sphäre jedes einzelnen einzudrin- gen und alle Kräfte und Potenzen für die Weiterführung ihrer ge- scheiterten Politik zu mobilisieren. Wir werden sozusagen zwangs- verpflichtet, an unserem Untergang mitzuarbeiten! Schwerste Bela- stungen kommen auf alle Schichten der Bevölkerung und auf jeden einzelnen zu. Die Regierungserklärung spricht von Belastungen, die "tief in das Leben jedes einzelnen eingreifen". Das Regie- rungsprogramm ist also ein reines Mobilisierungsprogramm, das alle Gebiete des Lebens der gleichen militärischen Machtpolitik unterordnen soll, die Deutschland in zwei Weltkriege geführt hat. Dieses Programm, das den nationalen, sozialen und wirtschaftli- chen Erwartungen der deutschen Bevölkerung in keiner einzigen Frage entspricht, ist eine Schande für ein Kulturvolk. Dieses Programm soll unser Land in eine anti-kommunistische Notstandska- serne verwandeln - und es wird sehr großes Unheil über uns alle bringen, wenn wir, die Bürger der Bundesrepublik, stillhalten und nicht die Kraft und den Mut haben, selbst in den Gang der Dinge einzugreifen... Wir meinen, daß für Illusionen und Spekulationen keine Zeit mehr ist. Wir meinen vielmehr: Es ist höchste Zeit, daß das deutsche Volk mit dem Problem des Friedens und der Sicherheit innerhalb Deutschlands selbst fertig werden muß... Wir Deutschen sind nicht von außen bedroht. Wir sind bedroht durch die Politik der Bundesregierung. Sie bringt das Leben des deutschen Volkes und das der anderen Völker in Gefahr. Daher muß es Sache der ganzen deutschen Öffentlichkeit sein, der Militari- sierungspolitik entgegenzutreten. Es muß Sache der ganzen Öffent- lichkeit sein, von ihrem Widerstandsrecht und ihrer Widerstands- pflicht im Rahmen der geltenden Gesetze vollen Gebrauch zu machen - ab heute! Ab heute - liebe Freunde - lautet daher das Gebot der Stunde: Wi- derstand gegen die Militarisierung ist erste Bürgerpflicht! Ab heute lautet das Gebot der Stunde: Entschiedener Kampf aller verantwortungsbewußter Deutscher für Frieden und Sicherheit, für Abrüstung zuerst in Deutschland, für Verhandlungen zwischen bei- den deutschen Staaten über Rüstungsverminderung und Entspannung der Lage in Deutschland, für eine friedensvertragliche Regelung, die unserem Volk einen gesicherten Frieden in einem atomwaffen- freien, militärisch-neutralen Deutschland verschafft... zurück