Quelle: Blätter 1964 Heft 07 (Juli)
zurück Dokumente zum Zeitgeschehen DREI-MÄCHTE-ERKLÄRUNG ZUM MOSKAUER ABKOMMEN =========================================== Nach längeren Erörterungen in den westlichen Hauptstädten und in "enger Konsultation mit der Bundesregierung" wurde am 26. Juni 1964 folgende Erklärung Großbritanniens, Frankreichs und der Ver- einigten Staaten veröffentlicht: Die Regierungen Frankreichs, des Vereinigten Königreichs und der Vereinigten Staaten wünschen, nach Konsultierung der Regierung der Bundesrepublik Deutschland, zu dem von der Sowjetunion und der sogenannten "Deutschen Demokratischen Republik" am 12. Juni 1964 unterzeichneten Abkommen die folgenden Feststellungen zu treffen. Dieses Abkommen berührt unter anderem Fragen, die Deutschland als Ganzes und insbesondere Berlin betreffen. 1. Wie der sowjetischen Regierung vor der Unterzeichnung dieses Abkommens in Erinnerung gerufen wurde, ist es klar, daß ein Ab- kommen, das die Sowjetunion mit der sogenannten "DDR" abschließt, die sowjetischen Verpflichtungen oder Verantwortlichkeiten aus Abkommen und Abmachungen mit den Drei Mächten über Deutschland einschließlich Berlins und des Zugangs dorthin nicht berühren kann. Die Drei Regierungen sind der Auffassung, daß die So- wjetunion durch diese Verpflichtungen gebunden bleibt, und sie werden weiterhin die sowjetische Regierung für die Erfüllung ih- rer Verpflichtungen verantwortlich halten. 2. West-Berlin ist keine "selbständige politische Einheit". Im Rahmen ihrer Verantwortung für Gesamtdeutschland haben die Vier Mächte die deutsche Hauptstadt, die Stadt "Groß-Berlin", unter ihre gemeinschaftliche Verwaltung gestellt. Einseitige Schritte, die von der sowjetischen Regierung getan werden, um die Vier- Mächte-Verwaltung der Stadt lahmzulegen, können diese Rechtslage in keiner Weise ändern und die Rechte und Verantwortlichkeiten der Vier Mächte hinsichtlich Berlins nicht aufheben. Unter Vorbe- halt ihrer Rechte hinsichtlich Berlins haben die Drei Westmächte mit Rücksicht auf die Notwendigkeiten der Entwicklung der Stadt im Einklang mit den Verträgen vom 23. Oktober 1954 die Herstel- lung enger Bindungen zwischen Berlin und der Bundesrepublik Deutschland genehmigt, und zwar einschließlich der Erlaubnis, daß die Regierung der Bundesrepublik Deutschland die Vertretung Ber- lins und der Berliner Bevölkerung nach außen wahrnimmt. Diese Bindungen, die als solche für die Lebensfähigkeit Berlins wesent- lich sind, sind in keiner Weise unvereinbar mit dem Vier-Mächte- Status der Stadt und werden auch in Zukunft aufrechterhalten wer- den. 3. Die Drei Regierungen sind der Auffassung, daß die Regierung der Bundesrepublik Deutschland die einzige frei und rechtmäßig gebildete deutsche Regierung und daher berechtigt ist, für das deutsche Volk in internationalen Angelegenheiten zu sprechen. Die Drei Regierungen erkennen weder das ostdeutsche Regime noch die Existenz eines Staates in Ostdeutschland an. Was die Bestimmungen über die "Grenzen" dieses sogenannten Staates anbetrifft, wieder- holen die Drei Regierungen, daß es innerhalb Deutschlands und Berlins keine Staatsgrenzen, vielmehr nur eine "Demarkations- linie" und die "Sektorengrenzen" gibt, und daß auf Grund eben der Abkommen, auf welche in dem Abkommen vom 12. Juni Bezug genommen wird, die endgültige Festlegung der Staatsgrenzen Deutschlands einer Friedensregelung für Gesamtdeutschland vorbehalten bleibt. 4. Der in dem Abkommen vom 12. Juni enthaltene Vorwurf des Revan- chismus und Militarismus entbehrt der Grundlage. Die Regierung der Bundesrepublik Deutschland hat in ihrer Erklärung vom 3. Ok- tober 1954 auf die Anwendung von Gewalt zur Herbeiführung der Wiedervereinigung Deutschlands oder einer Änderung der derzeiti- gen Begrenzungslinien der Bundesrepublik Deutschland verzichtet. Das ist unverändert ihre Politik. 5. Die Drei Regierungen stimmen überein, daß die Gewährleistung von Frieden und Sicherheit heute mehr denn je ein lebenswichtiges Problem für alle Nationen darstellt und daß eine gerechte und friedliche Regelung der ungelösten Probleme in Europa wesentlich ist für die Herstellung eines dauerhaften Friedens und für die Gewährleistung der Sicherheit. Eine solche Regelung erfordert die Anwendung des Selbstbestimmungsprinzips in ganz Deutschland. Die- ses Prinzip wird in der Charta der Vereinten Nationen, auf die sich das Abkommen vom 12. Juni selbst beruft, bekräftigt. Durch Ignorierung dieses Prinzips sucht das Abkommen vom 12. Juni die willkürliche Teilung Deutschlands, die eine ständige Quelle in- ternationaler Spannung und ein Hindernis für eine friedliche Re- gelung der europäischen Probleme darstellt, zu verewigen. Die Ausübung der Selbstbestimmung, die zur Wiedervereinigung Deutsch- lands in Frieden und Freiheit führen soll, bleibt ein grundlegen- des Ziel der Drei Regierungen. 6. Die Drei Regierungen sind der Überzeugung, daß eine derartige Regelung so bald wie möglich angestrebt werden sollte. Diese Re- gelung sollte schrittweise Lösungen einschließen, die zur Wieder- vereinigung Deutschlands und zur Sicherheit in Europa führen. Auf dieser Grundlage sind die Drei Regierungen stets bereit, jede Ge- legenheit zu nutzen, welche auf friedlichem Wege die deutsche Einheit in Freiheit wiederherstellt. Die Bundesregierung begrüßt diese Erklärung der Drei Mächte und erklärt sich mit ihr in vollem Umfang einverstanden. Bulletin v. 27.VI.64 zurück